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Prof. Dr. Peter im Interview mit der WELT

Prof. Dr. Peter im Interview mit der WELT: was Sie bei Botulinum und Fillern beachten müssen.

Mit knapp über 63 Prozent ist Botulinum bei den 20- bis 29-Jährigen aktuell der häufigste Behandlungswunsch.

Botulinum oder Hyaluron-Filler sind so beliebt wie noch nie, besonders unter jungen Menschen. Doch wie wirken die Stoffe im Körper, und welche Risiken birgt die Behandlung? Ein plastischer Chirurg erklärt, worauf dabei geachtet werden sollte.

Immer mehr Menschen lassen sich die Falten im Gesicht mit Botulinum oder Fillern wie Hyaluronsäure aufpolstern. Das Interesse an den nicht oder minimalinvasiven Behandlungen nimmt in Deutschland seit Jahren zu. Bei den Jüngeren ist vor allem Botulinumbeliebt, mit knapp über 63 Prozent ist dies bei den 20- bis 29-Jährigen derzeit der häufigste Behandlungswunsch.

Das zeigt eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. (https://www.dgaepc.de/dgaepc-statistik-2021-wurdeveroeffentlicht/)


Der plastische Chirurg Prof. Dr. Frank-Werner Peter ist Leiter der Klinik am Wittenbergplatz und Vorsitzender des Vereins Placet e. V. weiß, wo die Gefahren dabei liegen.


WELT: Warum lassen sich junge Menschen immer öfter Filler oder Botulinum spritzen?

Peter: Viele verspüren einen äußeren Druck. Wer dazugehören und mit anderen mithalten möchte, für den werden Schönheitsbehandlungen fast schon verpflichtend. Es ist schwer, sich dem zu entziehen. Auch soziale Medien tragen dazu bei. Dort werden neue Schönheitsstandards gesetzt.


WELT: Bringen Patienten auch Fotos von Instagram als Vorlage mit?
Peter: Das passiert durchaus. Oft erzählen sie auch, dass sie etwas auf
Instagram (/politik/deutschland/article236147860/Instagram-Das-gefaehrlichste-soziale-Netzwerk-der-Welt.html) gesehen haben. Sie finden eine Person schön – und wollen so aussehen. Das betrachte ich mit Vorsicht, denn die Vorstellungen von Schönheit ändern sich schnell. Möglicherweise haben die Menschen dann permanente Veränderungen im Gesicht, die wenig später aus der Mode kommen.


WELT: Was machen Sie, wenn eine 18-Jährige vor Ihnen sitzt?
Peter: Ich schaue mir jeden einzelnen Menschen genau an und frage nach: Gefällt Ihnen das noch in fünf Jahren? Stört es Sie nicht, wenn Sie sich ständig auf die vollen Lippen beißen? Als Chirurg betrachte ich die Vorstellungen der Patienten mit biologischem Verständnis. Nicht selten sage ich, dass ich die Behandlung so nicht machen werde.


WELT: Sie schicken Menschen weg?
Peter: Ja. Wenn jemand eine abstruse Veränderung seines Äußeren will, kann ich das nicht mit mir vereinbaren. Das nenne ich kriminelle plastische Chirurgie. Dasselbe gilt für psychisch Erkrankte. Jemand mit einer
körperdysmorphen Störung (/wissenschaft/plus240266439/Druck-durch-Instagram-TikTok-Lernen-den-eigenen-Koerper-zu-akzeptieren.html)
bildet sich einen äußerlichen Mangel ein und hält sich selbst für hässlich. So jemandem rate ich eher zu einer Psychotherapie.


WELT: Welche Eingriffe sind besonders gefragt?
Peter: Viele Frauen wollen volle Lippen – mit Filler aufpolstern liegt im Trend. Auch der Po soll zurzeit besonders groß sein. Einige wünschen sich zudem prägnante Gesichtszüge wie hervorstehende Wangenknochen oder geliftete, katzenartige Augen.


WELT: Botulinum gibt es schon ewig, Filler sind vergleichsweise neu. Warum sind sie so beliebt?
Peter: Weil mit wenig Aufwand viel zu erreichen ist. Keine Operation ist dafür nötig. Die Behandlungen lassen sich innerhalb von fünf bis 15 Minuten durchführen. Dafür reicht eine Mittagspause. Filler sind außerdem nicht teuer. Deshalb sprechen sie auch ein jugendliches Publikum an.


WELT: Welche Arten von Fillern gibt es und wie unterscheiden sie sich?
Peter: Die meisten Filler bestehen aus Hyaluronsäure. (/iconist/beauty/plus203931620/Jawline-Der-definierte-Kiefer-ist-das-neue-Beauty-Statussymbol.html). Inzwischen gibt es eine Reihe verschiedener Anbieter. Qualitative, auch teurere Produkte bieten meist eine hohe Sicherheit und lassen sich vielfältig einsetzen. Daneben gibt es günstige Anbieter, deren Inhaltsstoffe und Herstellungsbedingungen nicht immer bekannt sind. Filler aus Polymilchsäure bieten eine Alternative. Diese Substanz hat eine längere Halbwertszeit und verspricht lang anhaltende Ergebnisse. Permanente Filler sind dagegen vom Markt verschwunden, weil sie zu viele Probleme bereitet haben.


WELT: Viele glauben, Botulinum sei Schlangengift.
Peter: Botulinum ist der Giftstoff des Bakteriums Clostridium botulinum. Das Bakterium produziert ein Toxin: Botulinum. Das ist wohl der potenteste Giftstoff, den es gibt. Eine minimale Dosis davon reicht, um einen Menschen umzubringen. Seit etwa 30 Jahren ist es gut dosierbar und wird gezielt in der Medizin eingesetzt. Zunächst diente Botulinum als Medikament, erst später fand es Verwendung in der Schönheitschirurgie.

Beauty-Doc Prof. Dr. Peter aus Berlin im Interview mit der WELT: was Sie bei Botulinumtoxin und Fillern beachten müssen.


WELT: Botulinum als Medikament?
Peter: Genau. Angefangen hat es mit Menschen mit spastischen Lähmungen. Betroffene können ihre Muskulatur nicht steuern und sich deshalb nicht kontrolliert bewegen. Ärzte haben begonnen, sie mit dem Muskelblocker Botulinum zu behandeln. Je nach Dosis wurde dadurch ihre Muskulatur gemindert oder blockiert. Die Patienten konnten ihre Bewegungen nun besser kontrollieren. Später hat man festgestellt, dass Botulinum auch gegen Falten hilft, die durch Muskeln bedingt sind.


WELT: Wo liegen die Risiken bei einer Botulinum-Behandlung?
Peter: Wird Botulinum an den falschen Stellen gespritzt, werden dadurch versehentlich andere Muskeln blockiert. Auch die Überdosierung ist eine Gefahr. Zu viel davon, etwa in der Stirnfalte, kann dazu führen, dass die Augen zufallen, da die Muskulatur, die die Augenlider offen hält, gelähmt wird. Zudem besteht das Risiko einer Infektion.


WELT: Und bei Fillern?
Peter: Da ist es ähnlich: Wird davon zu viel an einer Stelle gespritzt und die Haut überstrapaziert, kann sie nicht mehr durchblutet werden. Das Gewebe stirbt ab.


WELT: Müssen Sie derartige Fehlbehandlungen manchmal wieder richten?
Peter: Ja, solche Fälle gibt es. Meist handelt es sich dabei um Infektionen oder absterbendes Gewebe. Zum Teil passiert so etwas auch deshalb, weil nicht nur Fachärzte ästhetische Behandlungen durchführen. Darf mit Botulinum nur ein Arzt hantieren, können Filler dagegen auch von einem Heilpraktiker injiziert werden. Nur hat der eine völlig andere Ausbildung durchlaufen. Wäre ich Patient und plante einen solchen Eingriff, würde ich zu jemandem gehen, der in dem Bereich spezialisiert ist. In der Regel sind das plastische Chirurgen. Schließlich kann die Behandlung ernsthafte Konsequenzen haben.

Beauty-Doc Prof. Dr. Peter aus Berlin im Interview mit der WELT: was Sie bei Botulinumtoxin und Fillern beachten müssen.


WELT: Botulinum und Hyaluron werden vom Körper wieder abgebaut, die Behandlung muss also wiederholt werden. Wie funktioniert das eigentlich?
Peter: Hyaluron ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen und tierischen Bindegewebes. Das Bindegewebe (/wissenschaft/plus241181577/Hallux-valgus-Neue-
Therapien-gegen-den-Ballenzeh.html)
von Säugetieren, einschließlich des Menschen, besteht aus vielen kleinen Molekülen von Hyaluronsäure. Genauso wie die körpereigene wird auch die eingespritzte Hyaluronsäure abgebaut. Alle Gewebe im Körper werden ständig erneuert. Wie lange das dauert, hängt von der Art der Hyaluronsäure ab. Es gibt drei verschiedene Molekülgrößen: kurze, mittlere und lange Hyaluron-Ketten. Die halten dann entweder ein halbes Jahr, ein Jahr oder zwei Jahre. Die einzelnen Gesichtsareale benötigen unterschiedliche Arten der Hyaluronsäure. Auch Botulinum wird komplett wieder abgebaut, nur geht das noch schneller. Von Mensch zu Mensch dauert es etwa drei bis fünf Monate.


WELT: Kann man die Behandlungen beliebig oft wiederholen?
Peter: Ja. Bei der Hyaluronsäure gibt es keine Grenze, da sie aus körpereigenem Material besteht. Bei Botulinum kann es zu einer Antikörperbildung gegen das Botulinum kommen. Antikörper wehren Fremdstoffe ab. Dann wirkt das Botulinum weniger oder gar nicht mehr. Das kommt aber sehr selten vor.


WELT: Kann das Gewebe der Lippen ausleiern, wenn immer wieder Filler nachgespritzt wird?
Peter: Nein (lacht). Normalerweise passiert das nicht. Nur kann es so sein wie bei einem Gummiband: Wird es überdehnt, geht es nicht mehr in seine Ausgangslage zurück. Das sieht man auch bei Frauen in der Schwangerschaft. Die Bauchhaut überdehnt sich dabei, und
Dehnungsstreifen (/iconist/mode/article240139757/Jennifer-Lopez-Es-ist-ihr-Sommer-der-Liebe-und-ihrer-Po-Creme.html) entstehen. Nach der Geburt bilden die sich oft nicht wieder komplett zurück. Die Hautstruktur ist gerissen. Wahrscheinlich ist so etwas auch bei extrem überspitzten Lippen vorstellbar. Dafür muss bei der Menge aber schon sehr übertrieben werden.


WELT: Ab welchem Alter sollte jemand mit Fillern oder Botulinum anfangen, wenn er das denn möchte?
Peter: Das ist eine subjektive Entscheidung. Diese beiden Stoffe wirken zudem unterschiedlich. Wenn die Muskelaktivität in der Stirn- und Augenpartie rechtzeitig durch Botulinum reduziert wird, kann der natürliche Kollagenbruch (/wissenschaft/plus238567735/Dermatologie-Eigentlich-muessen-Kosmetika-garnicht-wirken.html) der Haut hinausgezögert oder sogar verhindert werden. Faltenentstehen dann gar nicht erst. Das heißt, etwa mit Mitte 20, Anfang 30. Filler geben dagegen Volumen und unterpolstern die Haut. Hier kann nicht vorgebeugt werden. Daher kann man in jedem Alter damit angefangen. Junge Menschen lassen sich oft mit Fillern behandeln, um die Form des Gesichts zu verändern. Ältere wollen dagegen so ihre Falten mildern.


WELT: Sind Schönheitsoperation bei Frauen noch beliebter als bei Männern?
Peter: Bei mir in der Klinik ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern 75 Prozent zu 25 Prozent. Eine Frau steht unter größerem Druck, auf ihr Aussehen zu achten. Bei ihr wird mehr Wert darauf gelegt. Insofern unterziehen sich auch mehr Frauen einer Schönheitsbehandlung. Wobei attraktive Menschen generell bessere Chancen im Leben haben. Das zeigt die Forschung, leider.


Quelle: WELT | geschrieben von Wiebke Bolle